Jetzt ist das Gericht dieser Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. (Johannes 12: 31-32)
Denn so hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Johannes 3: 16 )
Einen ungewohnten Blick auf das Geschehen auf Golgatha, den einzigartigen Wendepunkt alles Weltgeschehens, öffnet uns Tissot in seinem Gemälde auf der Vorderseite: „Was unser Retter-Heiland vom Kreuz aus sah“. Die gewohnte Perspektive betont die körperliche und seelische Qual, die Demütigung und Schmach, die der göttliche „Menschensohn“ willentlich erleidet, nämlich das Gericht über alles gottfeindliche Wesen dieser Welt.
Hier aber wird uns die Perspektive des Menschensohns gezeigt. Oberflächlich gesehen könnten die Kontraste unter den Menschen, die Jesus erblickt, kaum krasser sein. Direkt zu seinen Füßen liegt seine Mutter, in der Seele getroffen von dem Schwert, das ihr der prophetische Simeon bei der Darstellung Jesu im Tempel angekündigt hatte. Um Maria herum die trauernden Frauen, die neben Johannes die einzigen sind, die jetzt noch den Mut aufbringen, ihre Beziehung zu ihrem Meister zu bekunden.
Dies unter den Augen des hohen Klerus, der in vollem Ornat mit spöttischer Genugtuung oder mit lauernder Herausforderung, in gleichmütiger Befriedigung, aber auch besorgter Erwartung seinen Triumph genießt. Die Gesichter der Büttel des Hohen Rates spiegeln die Häme ihrer Herren. Vergleichsweise ’sympathisch’ erscheint demgegenüber der geschäftsmäßige Gleichmut des römischen Hinrichtungskommandos, der Vollstrecker des Sanhedriums.
In besorgtem Abstand hält sich das ’einfache’ Volk, dessen Seele wohl das gleiche Spektrum an Gefühlen spiegelt, unter ihnen gewiß einige, die Jesu Retterliebe an Leib und Seele erfahren hatten.
Aber durch all diese äußeren Gegensätze hindurch sehen Jesu Augen die eine Gemeinsamkeit, derentwegen Er seine Lage erduldet. Jesus sieht sie alle zusammen in der tödlichen Verlorenheit, die Er gegenüber Nikodemus mit dem Hinweis auf die erhöhte Schlange in der Wüste angesprochen hatte.
Wie der Biß der Schlangen die murrenden Israeliten, so hat der Stachel des Todes, die Sünde, uns alle ohne Unterschied mit seinem Gift infiziert, und aus uns heraus gibt es keine Rettung aus dieser Todessituation. Wie in der Wüste kann nur Gott selbst Rettung schaffen – und Er tut es!
Aus Liebe schafft Er auch uns Rettung allein im gläubigen Aufblicken zu Seinem Retter. Für diejenigen, die dieses Gnadenangebot im Glauben ergreifen, wird Jesu Sterbensruf „Es ist vollbracht“ zum Siegesruf: Der Stachel des Todes ist auf ewig zerbrochen!
– RF